Vincent Meissner Trio – Eigengrau

Review Vincent Meissner Trio – Eigengrau

Nun wissen wir es: Das Wort ›Eigengrau‹ beschreibt einen Zustand der Dunkelheit hinter geschlossenen Augen. Das zumindest ist die Erklärung, die Vincent Meissner zum Titel seines neuen Trio-Albums liefert. Nicht ganz dunkel, nicht ganz hell, und getrieben von Introspektive. Oder deren Eingangstür?

Nun ist das so eine Sache mit der Introspektive. Da weiß man im Grund nie, was es zu sehen gibt. Und bei anderen schon gar nicht. Und das macht es wiederum schwierig, der Introspektive eines dritten zu folgen, besonders, wenn diese sich der Sprache der Musik bedient. Es könnte also nicht so ganz einfach werden, die Musik von Meissners dritten Albums in Gänze zu erfassen, denn, so lässt das Label wissen, sie ist geprägt vom Blick nach innen, von der Reflexion über Erfahrungen und Begegnungen, die für ihn bedeutsam waren.

Nun könnte der geneigte Expeditions-Teilnehmer auf die Namen der Stücke verweisen. doch ob Supernumb nicht etwas zu umfassend, Oknok etwas zu vage in der möglichen Zuordnung zwischen IT-Fachjargon, Unternehmensgruppe und anderen Angeboten einschlägiger Suchmaschinen und Manja etwas zu persönlich unbekannt sind, lassen wir mal dahin gestellt.

Nicht dahin gestellt lassen wir dagegen den Höreindruck. Und der ist – wie soll ich schreiben? – wow! Das junge Trio traut sich was, und es traut sich gekonnt. Das Spiel mitreißend, technisch exzellent und musikalisch überzeugend. Die Titel zeugen von Evolution vertrauter Formen und oszillieren charmant zwischen Tradition und Wagnis.

Als Gegengewicht präsentieren die Musiker den von Prince komponierte Sinéad O'Connor-Hit Nothing Compares 2 You und Separator von Radiohead zwei Pop-Songs im Jazz-Gewand. Das ist insofern spannend, als die Stücke ruhiger daher kommen als ihre Originale, und da der Gesang fehlt, die Jazz-Elemente respektive der Jazz-Mood deutlicher zum Tragen kommen.

Und die Aufnahme? Da hat sich Produzent Andreas Brandis selbst ein Geschenk gemacht. Piano (Meissner), Bass (Josef Zeimetz) und Drums (Henri Reichmann) sind sehr sorgfältig eingepegelt und verführerisch authentisch. Auf der Bühne sind sie in Clobmanier platziert und lassen das Zusammenspiel fernakustisch miterleben, als finde der Dialog direkt im Hörraum statt. Dazu ist der Frequenzgang herrlich ausgewogen und die Dynamik fein ziseliert.

Diese Kombination aus feinem Klang und gutem Feel macht Eigengrau zu einem jender Jazz-Alben, von denen man sich wünscht, es gebe mehr davon. Mehr Mut, Traditionen aus Bausteine aufzufassen. Und mehr Qualität jenseits des bekannt-verkaufstauglichen (Ja, den gibt es auch im Jazz!). Wobei das Label ACT Music nicht gar so gefährdet ist.

Eigengrau ist eine Empfehlung wert – es ist ein bisschen eigen und keinesfalls grau. (Thomas Semmler, HighResMac)

Vincent Meissner Trio

Vincent Meissner Trio – Eigengrau

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