Dieses Album konfrontiert den Hörer über eine starke Stunde hinweg geballt mit in Orchesterlandschaft eingebetteten Cello-Spiel. Aufgerufen werden zwei Schlachtrösser der zahlenmäßig recht überschaubaren orchestralen Celloliteratur, das Elgar-Konzert und Tschaikowskis Rokoko-Variationen, inklusive einiger „Zugaben“ aus der Feder des Russen. Dominierte die Interpretation des Elgar-Konzerts durch Jacqueline du Pré aus den sechziger Jahre über Jahrzehnte hinweg konkurrenzlos den Markt ursprünglich analoger Aufnahmen, so hat sich die Szene in etwa beginnend mit dem Zeitalter digitaler Downloads merklich geändert. Nicht was die Interpretation, jedenfalls aber, was die Anzahl verfügbarer Aufnahmen betrifft. Galt das Elgar-Konzert zu Zeiten du Prés noch als spieltechnische Herausforderung, gehört es heutzutage überspitzt gesagt zum Standard-Repertoire des Cellonachwuchses. Die spieltechnische Kompetenz ist im Laufe der Jahrzehnte eben offenbar allgemein, auch bei Pianisten und Geigern, gewachsen. Dasselbe trifft auf die interpretatorische Kompetenz hingegen keineswegs gleichermaßen zu. Um sich diesbezüglich als Hörer einzunorden, empfiehlt es sich, hin und wieder ältere Aufnahmen zu Rate zu ziehen.
Bevor wir uns anhören, wo der Cellist dieses Albums spieltechnisch und interpretatorisch rangiert, noch ein Wort zu Tschaikowskis Rokoko-Variationen, die hier in der ursprünglichen Version ohne die üblich gewordenen Retuschen des Uraufführungscellisten und mit der ursprünglich konzipierten Reihenfolge der Sätze erklingen. Die weitgehend relativ heitere und spielfreudige Stimmung dieses Werks bildet einen willkommenen Gegenpol zur weitgehend melancholischen, introvertierten Stimmung des Cellokonzerts von Elgar. Tragisch ist, dass Tschaikowski im krassen Gegensatz zur äußerlich positiven Stimmung der Variationen gerade ein Tal tiefer Verzweiflung durchschritt, in der man eher ein Requiem aus seiner Feder erwartet hätte als diese strahlend helle, Zuversichtlichkeit ausstrahlende Stimmung eines als Variationen verkappten Cellokonzerts.
Johannes Moser gehört zur Generation der weltweit nachgefragten, erfolgreichen jungen Cellisten, um die sich die Konzertveranstalter und Labels reißen. Für das Elgar-Konzert findet er einen Ansatz, den man als vollgültig geglückt bezeichnen darf. Ohne jemals die zumindest in den ersten beiden Sätzen überwiegende, im optimistisch gestimmten dritten Satz zumindest immer wieder durchscheinende Melancholie des Konzerts durch übertrieben aufgedickte Tonerzeugung zu erdrücken, entwickelt sich die exakt angemessene Stimmung aus der Leichtigkeit der Tonbildung des Soloinstruments. Mit dieser Aufnahme des Elgar-Konzerts liefert Johannes Moser eine ernstzunehmende Alternative zur Aufnahme von Jacqueline du Pré ab, die weniger klangmächtig und sentimental, dafür aber bei aller Eleganz genauso tief gefühlt daherkommt, ohne jemals ins heute anderweitig übliche Kitschige abzugleiten. ab. Leichtfüßigkeit ist auch bei denTschaikowski-Variationen angesagt. Dazu gesellt sich ein enormer Spielwitz in Verbindung mit beachtlicher Virtuosität. In höchst entspannter Atmosphäre folgt man dem Solisten gerne auf seiner variantenreichen Reise durch das Tschaikoswki‘sche Wunderland der Rokoko-Variationen und erfreut sich an den köstlich servierten „Zugaben“, dem Nocturne, dem Andante Cantabile und dem Pezzo Capriccioso aus russischer Meisterhand.
Begleitet wird Johannes Moser vom OSR unter der Leitung des Briten Andrew Manze, dessen Karriere in der Alte-Musik-Szene wurzelt, in der er als Geiger, unter anderen als Konzertmeister in Ton Koopmans Amsterdam Baroque Orchestra Furore gemacht hat. Anfang des neuen Jahrtausends tauschte er dann zunehmend häufiger den Geigenbogen gegen den Dirigentenstab, übernahm als Chef das Helsingborger Sinfonieorchester, und danach in derselben Position das von Trevor Pinnock gegründeten English Consort. Aktuell hat er den Chefposten bei der NDR Radiophilharmonie in Hannover inne. Unter Andrew Manze setzt das OSR viel Elgar‘sches Herzblut, aber auch die für Tschaikowskis Cello-Orchester notwendige Eleganz frei. Der stets helle und durchsichtige, fein leuchtende Klang dieses französischer Clarté verpflichteten Orchesters ergänzt optimal den klanglicher Schwere abholden Ansatz des Solisten. Das Ergebnis ist eine gute Stunde orchestrale Cello-Glückseligkeit, die man nicht mehr missen möchte.
Johannes Moser, Cello
Orchestre de la Suisse Romande
Andrew Manze, Dirigent