
Musik ist Harmonie, sogar im Jazz. Mit ihrem neuen Album Beamo legen Leszek Możdżer, Lars Danielsson und Zohar Fresco aber noch einen drauf: Die Klänge eines – scheinbar – verstimmten Pianos sind Harmonie! Glauben Sie nicht?
Schon das erste Stück Ambio Bluette ist ein Statement. Solider Bass, rhythmisch, groovig, der Hörer schwingt ein – und kommt ins Schleudern. Das Piano ist doch… – schief!?! Ist es. Und trotzdem klingt es gut. Sogar sehr gut. Die Dissonanz der feinen Tonverschiebung schafft eine Spannung, die Aufmerksamkeit einfordert und zugleich.
Ähnlich verhält es sich bei Feu d’Or und Appropinquate, das neben der Dissonanz der Saiten auch noch mit Intervallen spielt, die nicht gerade vom Charme des Schmeichelnden getragen sind. In Decaphonesca greift der Griff zum dekaphonischen Intervall dann auch auf die Viola da Gamba über, mit der uns Bassist Danielsson auf eine weitere spannende Entdeckungsreise mitnimmt.
Das soll aber nicht heißen, dass Beamo ein rein dissonantes Album ist und antritt, sich als intellektuelle Herausforderung für den Musikliebhaber zu positionieren. Ganz im Gegenteil.
Denn „der Flügel“ sind tatsächlich drei Flügel, die unterschiedlich gestimmt sind: der erste in der üblichen Stimmung mit A auf 440 Hz, der zweite mit A auf 432 Hz und der dritte in eier dekaphonischen Stimmung, was bedeutet, dass die Oktave nicht in acht, sondern in zehn gleiche Intervalle unterteilt wird. Wenn dann ein Stück auf verschiedenen Flügeln zugleich gespielt wird, ergeben sich die scheinbaren Verstimmungen.
Das sollte aber niemanden verstimmen. Denn zum einen ist die Einspielung von exzellenter Qualität, womit es sehr einfach wird, dem akustischen Geschehen zu folgen.
Dann liefert der Versuch, die Möglichkeiten von Klang auszuloten, neuen Spielraum (und zugleich Spiel-Raum), der sicher noch von anderen aufgegriffen werden wird, um die Möglichkeiten musikalischen Ausdrucks zu erweitern.
Und schließlich finden sich auf Beamo durchaus auch Titel, die dem Ohr reinsten Wohlklang kredenzen. Das gilt beispielsweise für Brim On oder für Enjoy the Silence und noch mehr für Gilado, das mit seiner Melodiösität regelrecht verzaubert. Und das alles ist, wie schon zu Beginn dieses Textes angekündigt, Harmonie.
Glauben Sie nicht?
Dann hören Sie selbst hinein. Beamo lohnt sich. (Thomas Semmler, HighResMac)
Leszek Możdżer, Fazioli-Klavier (A = 440 Hz gleichschwebend temperiert), Steinway-Klavier (A = 432 Hz gleichschwebend temperiert), Östlind & Almquist Klavier (A = 440 Hz dekaphonische Stimmung)
Lars Danielsson, Kontrabass, Cello & Viola da Gamba
Zohar Fresco, Rahmentrommeln, Schlagzeug & Gesang
Aufgenommen vom 18-22.09.2023 im Monochrom Studio (Polen) von Piotr Taraszkiewicz, assistiert von Ignacy Gruszecki (Mono-chrom Studio)
Zusätzliche Cello-Parts aufgenommen am 12.12. 2023 in den Tia Dia Studios, Mölnlycke (Schweden) von Piotr Taraszkiewicz
Brim On & Jacob's Ladder wurden in A = 432 Hz gleichschwebend temperierter Stimmung aufgeführt
Decaphonesca wurde in dekaphonischer Stimmung aufgeführt Enjoy the Silence wurde in 440 Hz Stimmung aufgeführt Alle anderen Stücke wurden mit der gleichzeitigen Verwendung von zwei oder drei gemischten Stimmungen aufgeführt (440 Hz, 432 Hz und dekaphonische Stimmung)