Klaus Paier & Florian Dohrmann
Biographie Klaus Paier & Florian Dohrmann
Klaus Paier
ist ein unermüdlicher, stilintegrierender Gestalter inmitten der europäischen Jazzszene. Ein Glücksfall für den Jazz - und für das Akkordeon!
Multistilistisch, klangschön und innovativ, das und viel mehr lässt sich über die Musik von Klaus Paier sagen. Der österreichische Künstler (*1966) hat sich Jazz, Improvisation, und dabei ganz besonders das Akkordeon zur spannenden Lebensaufgabe gemacht. Klaus Paier heute? Der Musiker kann schon jetzt auf ein enormes Werk zurückblicken, dabei ist er mitten im Schaffensprozess.
Früh genug begonnen hat er jedenfalls. Als Siebenjähriger bekam er ersten privaten Akkordeonunterricht. Schon mit zwölf versuchte er sich an eigenen Kompositionen und trat für eine Rundfunkaufnahme erstmals öffentlich auf. Die Neugier auf selbst geschaffene Musik war nachhaltig geweckt. Er fing an, sich intensiv mit den musikalischen und klanglichen Möglichkeiten des Akkordeons auseinanderzusetzen. Vor allem Jazz erlebte er als Inspirationsquelle, wandte sich immer mehr entsprechenden Kompositionen zu - und der freien Improvisation. Zur damaligen Zeit, in den 1980er Jahren, blieb ihm aber in Sachen Hochschule fast nichts übrig, als ein vorwiegend klassisches Studium zu absolvieren. Das tat er am Kärntner Landeskonservatorium in Klagenfurt. Er beschäftigte sich mit klassischer Musik, Komposition und zusätzlich auch mit Jazz. In den Jahren nach seinem Studium sammelte er neben künstlerischer auch pädagogische Erfahrung. Das inspirierte ihn schließlich dazu, 2013 eine eigene, dreiteilige Akkordeonschule herauszugeben ("Das Akkordeon Buch").
Noch mehr zog es ihn natürlich auf die Bühne. Er formierte Ensembles, spielte 1993 sein erstes Jazzkonzert. Im Jahr 1996 gründete er mit Bassist Stefan Gfrerrer und Schlagzeuger Roman Werni ein langlebiges Jazztrio. Ihr 1998 veröffentlichtes Debut-Album nannten sie schlicht "Accordion". Paier initiierte noch eine ganze Reihe von Bands und führte sie über viele Jahre weiter. Langfristige, gut eingespielte Kooperation ist für ihn meistens die Basis für Klangfindung und Innovation. Insbesondere mit dem Trio ging er auf zahlreiche Tourneen. Er hat in dieser und anderen Formationen die ganze Welt bereist, etwa Kanada, die USA, Japan, Vietnam, Israel, Ägypten, Marokko, Algerien und Russland. Auf den europäischen Bühnen ist er Stammgast. Im Jahr 1999 startete Paier sein erstes Duo mit dem Saxofonisten und Klarinettisten Gerald Preinfalk. Die beiden spielten seitdem zahlreiche Konzerte und veröffentlichten zwei Alben (More than Tango, 2000; Saion, 2006).
Das Jahr 2000 wurde für Paier ein wichtiger Wendepunkt. Zum einen hatte er im Jahr zuvor in Paris ein neues Musikinstrument für sich entdeckt, das Bandoneon. Damit begann er nun, seine kreativen und klanglichen Möglichkeiten weiter auszubauen. Zum anderen hatte er die Idee, sein Trio mit Gfrerrer und Werni mit einem Streichquartett zu kombinieren und so einen völlig neuen musikalischen Kontext zu schaffen. Zu dieser Zeit waren Streichquartette in den stilintegrierenden Gefilden von Jazz, Klassik und Weltmusik längst nicht so präsent wie heute. Mit dem gemeinsamen Debüt "Movimiento" leistete das originelle Septett ein Stück Pionierarbeit. Die Musik fand eine enorm positive Resonanz. Es war Paier, der die Streicher schließlich überzeugte, 2004 ein dauerhaftes Quartett zu formieren. Das war der Anfang des radio.string.quartet.vienna, das bis heute besteht. Als Solist publizierte Paier zwei CDs mit dem Ensemble (radio.string.quartet feat. Klaus Paier, 2004; Radiotree, 2008). Aus dieser Kombination entstand 2009 ein Duo mit Cellistin Asja Valcic. In zehn Jahren, mehreren Tourneen und vier Alben loteten die beiden die Möglichkeiten des Akkordeon-Cello-Duos aus. Über die Jahre erhielt Paier einige Nominierungen und Auszeichnungen. In Moskau wurde ihm 2011 als erstem österreichischen Akkordeonisten der Silver Disc Award verliehen. In Österreich war er mehrmals für den Amadeus Award nominiert.
Aber Paier wäre nicht Paier, wenn er nicht weiterhin Neues entwickeln würde. Zuletzt machte er aus seinem Trio mit Gfrerrer und Werni und dem Duo mit Valcic ein Quartett. Sie präsentierten 2018 die Einspielung "Cinema Scenes". Im Jahr 2019 nun brachte der Akkordeonist gleich zwei neue Besetzungen an den Start. Die Duos mit Gerald Preinfalk und Asja Valcic kombinierte er in einem neuen Trio. Ein weiteres neues Duo kreierte er gemeinsam mit dem Tübinger Kontrabassisten Florian Dohrmann, der bis zur Abschiedstournee 2019 im David Orlowsky Trio gespielt hat. Tango und Weltmusik, Jazz, Improvisation und Klassik, Akkordeon und Bandoneon, Paier wird sicher weiterhin die europäische Musikszene wesentlich mitgestalten. Nicht zuletzt tritt er gern als Solist auf und hat hefteweise Solo-Musik veröffentlicht. Die Liste der bisher insgesamt 18 Alben und 24 Notenbände dürfte also fortgesetzt werden. Seit 2019 spielt der Künstler nun sogar ein nach seinen Vorgaben gefertigtes Akkordeon namens "Passion". Nach vielen Jahren Vorarbeit hat er damit das für ihn ideale Musikinstrument gefunden.
Florian Dohrmann
Stilsichere Soloparts, groovender Walking-Bass oder ein dezentes Songfundament am Tieftöner: Musiker Florian Dohrmann hat sich mit seinem Benjamin Patočka-Bass aus Böhmen über die Jahre ein breites künstlerisches Spektrum erspielt. Das Bassmodell mit dem warmen, volltönenden Sound ist mit fast 120 Jahren (gebaut 1903) zwar mehr als doppelt so alt wie sein menschlicher Soundgestalter (*1972 in Tübingen) - aber das verträgt sich hervorragend mit innovativer Musik. Womöglich geben dem ästhetischen Klang die Saiten (angefertigt von Gerold Genssler, Sonores) noch den letzten Schliff - sie sind im Kern aus Seide.
Florian Dohrmanns Ensembles integrieren Stile von Jazz, Soul und Pop über klassische und zeitgenössische Einflüsse bis Klezmer und Weltmusik. Es gab diese Momente und Begegnungen, die seinen Weg in eine bestimmte Richtung lotsten. So begegnete dem begeisterten Klavierschüler, der sich schon auf der klassischen Konzertbühne sah, der elektronische Bass, bald darauf der Kontrabass - und vor allem: der Jazz. Miles Davis' Quintett-Einspielungen Cookin', Steamin' und Relaxin', alle mit Paul Chambers am Kontrabass, wurden wegweisend für ihn. Er entschied sich für ein Jazz- und Popstudium an der Musikhochschule in Stuttgart. Thomas Stabenow wurde zu einem wichtigen Dozenten und Mentor, jenseits der Hochschule außerdem Dieter Ilg. Zu seinen Vorbildern zählt Dohrmann Jazz-Urgesteine wie Paul Chambers und Charlie Haden, fand und findet aber auch bei anderen Künstlern Inspiration, etwa Dave Holland oder Lars Danielsson.
Ein erstes, ganze zwei Jahrzehnte währendes Trio entstand, als er 25 Jahre alt war und eben noch sein Studium abschloss. Die Zusammenarbeit mit dem zu dieser Zeit erst 16-jährigen Ausnahme- Klarinettisten David Orlowsky erwies sich für ihn als ein wesentlicher Schritt in Richtung großer Bühnen. Es gab zwei Wechsel des Gitarristen, bis sich ab 2005 mit Jens-Uwe Popp auch in dieser Stimme ein langfristiger Mitspieler anschloss. Im Jahr 2019 gaben die drei beim Schleswig- Holstein Musikfestival vier ausverkaufte, rauschende Abschlusskonzerte. Was bis dahin entstanden ist, kann sich hören (und sehen) lassen: mehrere Alben (bei Sony Classical), zwei Ehrungen mit dem ECHO Klassik (für Noema 2008 und für Klezmer Kings - a tribute to Naftule Brandwein and Dave Tarras 2015), Veröffentlichung zahlreicher Kompositionen (bei Schott/Advance Music), und unzählige Konzerte weltweit. Hierzulande waren die Künstler mit ihrer besonderen Integration von jiddischer Folklore, Klezmer, Klassik, Jazz und anderen Stilen Stammgäste in den Konzertsälen und bei großen Festivals, vom Rheingau Musikfestival über die Festspiele Mecklenburg-Vorpommern bis zum Schleswig-Holstein Musikfestival. Ihre Konzerttourneen führten sie aber gleichermaßen in die berühmte New Yorker Carnegie Hall, in die Ukraine und nach Südkorea. Zu den Highlights zählen Auftritte mit Orchestern wie der Kammerakademie Potsdam, dem Münchner Rundfunkorchester, dem Aachen Symphonie Orchester, den Nürnberger Symphonikern oder der schwedischen Jonköping Sinfonietta. Dort präsentierten sie ihre Triomusik in großformatigen Arrangements einem begeisterten Publikum. Ebenfalls hören lassen können sich die Kooperationen mit musikalischen Partnern wie Avi Avital, Daniel Hope, Iveta Apkalna, Klaus Paier und vielen anderen.
Ab 2019 hieß es nun aber: Auf zu Neuem! In den letzten Jahren initiierte Florian Dohrmann verschiedene Ensembles. Das bedeutet mehr Platz für den Kontrabass, denn dort ist er öfter als bisher mit einfallsreichen Soloparts zu hören. Wie bereits im einstigen Trio und anderen, früheren Bands schreibt er außerdem eigene Stücke und Arrangements. Da ist bereits seit 2017 das Jazzquartett Blank Page mit Joachim Staudt (Saxofon, Klarinette), Christoph Neuhaus (Gitarre) und Lars Binder (Schlagzeug). Die vier widmeten ihr Debut dem Komponisten Claude Debussy, von dessen Musik sich einst bereits Jazzlegenden wie Duke Ellington und Bill Evans inspirieren ließen. Für einen Stilwanderer wie Dohrmann ist das ein ausgezeichneter Anknüpfungspunkt für ein Repertoire, das Debussys Einflüsse erkennen lässt, integriert, umwandelt, ergänzt und erweitert. So sind die bekannten Stücke Claire de Lune oder La fille aux cheveux de lin in stilistisch und klanglich neuem Gewand zu hören, kombiniert mit weiteren Arrangements und Originalen. Das Debutalbum New Impressions of Debussy wurde für die Vierteljahresliste 2/2019 beim Preis der Deutschen Schallplattenkritik ausgewählt.
Gemeinsam mit dem österreichischen Akkordeon- und Bandoneonkünstler Klaus Paier, der früher bereits oft mit dem David Orlowsky Trio musizierte, formierte der Bassist Ende 2019 ein spannendes Duo. Mit einer Menge Freiraum und Souveränität spielen sich diese zwei, die beide selbst komponieren und gern improvisieren, munter Ideen zwischen Bogen und Saiten, Knöpfen und Stimmzungen zu.
Gleich mehrere Funktionen übernahm Dohrmann für das Bühnenprojekt Feeling Good? zu Ehren der außergewöhnlichen Sängerin Nina Simone. Fasziniert von ihrer Musik und ihrem Leben entwickelte er Script, Dialoge und Show, Lichtdesign sowie Filmprojektionen, und lud Künstler in sein Ensemble ein, etwa Sängerin Fola Dada, Erzählerin Katharina Eickhoff, Ulf Kleiner am Klavier, Schlagzeuger Felix Schrack und Gitarrist Christoph Neuhaus. Mit Spannung wurde die
Premiere im Theaterhaus Stuttgart bei den Osterjazztagen 2020 erwartet. Wegen Covid musste sie schließlich auf unbestimmte Zeit verschoben werden, so wie viele weitere Konzerte und Auftritte seit Anfang 2020.
Dohrmann und seine Ensembles gehen ihre kreativen Wege trotzdem weiter - in den derzeit vorhandenen Formen. Sobald es möglich ist, werden sie ihre Repertoires wieder live und vor Ort ans Publikum bringen. Schon jetzt ist klar: da wird sicher mehr als eine Premiere dabei sein!