Album info
Album-Release:
2019
HRA-Release:
25.01.2019
Label: Deutsche Grammophon
Genre: Classical
Subgenre: Chamber Music
Artist: Ödön Rácz, Franz Liszt Chamber Orchestra, Noah Bendix-Balgley & Speranza Scappucci
Album including Album cover
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- Giovanni Bottesini (1821 - 1889):
- 1 Gran Duo Concertante for Violin, Double bass and Strings 15:33
- Ástor Piazzolla (1921 - 1992):
- 2 Le Grand Tango 12:16
- Nino Rota (1911 - 1979): Divertimento Concertante per contrabasso e orchestra:
- 3 1. Allegro: Allegro maestoso 09:16
- 4 2. Marcia: Alla marcia, allegramente 03:48
- 5 3. Aria: Andante 05:28
- 6 4. Finale: Allegro marcato 04:52
Info for My Double Bass
So reich an Facetten wie sonst nur die menschliche Stimme sein kann, sei das Klangspektrum des Kontrabasses, sagt Ödön Racz. Wie sanft, zart und fein, aber auch wie enorm brutal und aggressiv es ertönen kann, weiß der Solo-Kontrabassist der Wiener Philharmoniker seit seiner frühen Kindheit. Mit den Klängen dieses Instruments ist er groß geworden. Denn sein Vater war, wie dessen Vater und dessen Vater auch, Kontrabassist. Musik steht im Zentrum dieser Familie. Wird ein Sohn geboren, drückt man ihm bereits wenige Stunden nach der Geburt einen Bogen in die kleine Hand.
Als er acht Jahre alt und groß genug für das über einen Meter hohe Instrument war, begann er mit dem Unterricht. In Wien schloss er beim damaligen Wiener Philharmoniker Alois Posch sein Studium ab. Rasch ergab eins das andere. Mit 23 Jahren wurde Racz ins Wiener Staatsopernorchester aufgenommen. Seit 2009 ist er Solo-Kontrabassist der Wiener Philharmoniker. Racz spielt auf einem Instrument aus dem Jahr 1781 aus der Werkstatt von Michael Ignatius Stadlmann. Wie virtuos man auf dem Kontrabass spielen kann, führte Racz anno 2012 vor 40 Millionen Zusehern im Pausenfilm der Fernsehübertragung des Neujahrskonzerts der Wiener Philharmoniker mit Rimsky-Korsakows Hummelflug vor. Das war pure, brillante Präzisionsarbeit. »Wenn man mit solchen Stücken aber nur zeigen will, wie schnell man spielen kann, ist das nicht mehr als Zirkus. Und damit schadet man dem Instrument«, sagt Racz. 2014 spielte er im Musikverein mit den Wiener Philharmonikern als Solist und unter dem Dirigat von Michael Tilson Thomas das Konzert für Kontrabass und Orchester von Johann Baptist Vanhal, das auch auf CD nachzuhören ist.
Sein neues Album My Double Bass (»Mein Kontrabass«) soll die Stärken und die Vielseitigkeit dieses Instruments einmal mehr vorstellen. Eine Reise von Italien nach Südamerika und zurück ist es geworden. Als Partner hat Racz das Budapester Franz Liszt Kammerorchester gewählt, mit dem er bereits das Vorgängeralbum mit Kontrabasskonzerten eingespielt hat. Diese Formation kennt er seit seinem 12. Lebensjahr. »Sie haben mit den größten Solisten wie Yehudi Menuhin, Isaac Stern und auch Martha Argerich gearbeitet. Sie sind sehr flexibel, anpassungsfähig und bringen eine gewisse Würze mit. Das ist wie ungarischer Paprika«, lobt Racz das Orchester. Am Pult steht die gebürtige Römerin Speranza Scappucci, derzeit Generalmusikdirektorin der Oper im belgischen Lüttich. Racz kennt sie aus der Zeit, als sie noch Riccardo Muti bei den Salzburger Festspielen assistiert hat. Noah Bendix-Balgley, Konzertmeister der Berliner Philharmoniker, ist mit Racz auch im Ensemble »Philharmonix« verbunden. Der amerikanische Violinvirtuose war für ihn der ideale Partner, um eines der zentralen Werke der Kontrabass-Literatur einzuspielen: Das Gran duo concertante für Violine und Kontrabass von Giovanni Bottesini. Der gebürtige Lombarde wurde zu seinen Lebzeiten als der »Paganini des Kontrabasses« von Italien bis Kuba gefeiert. Gioacchino Rossini nannte ihn eines der »vielseitigsten Talente in Europa«. Verdi vertraute ihm gar die Uraufführung seiner Oper Aida in Kairo an. Heute ist Bottesini in Vergessenheit geraten. Dass er jemals zum gefragten Virtuosen werden sollte, der mit seinem Bassgeigenspiel seinen aufwändigen Lebensstil finanzieren konnte, war in seiner frühen Jugend nicht abzusehen. In seiner Heimatstadt Crema lernte der Sohn eines Klarinettisten und Komponisten Violine und Bratsche. Als er am Mailänder Konservatorium sein Studium fortsetzen wollte, waren nur in den Fächern Fagott und Kontrabass Plätze frei. Bottesini entschied sich für das Saiteninstrument. In wenigen Wochen beherrschte er es so gut, dass er sich ein Stipendium erspielte. Die Fama erzählt, Bottesini habe sein Instrument in einem Marionettentheater aus dem Gerümpel gerettet. Das Instrument stammte aus der Werkstatt von Carlo Giuseppe Testore und hatte drei Saiten.
Mehr als dreißig Werke für Kontrabass hat Bottesini komponiert. Das Gran duo concertante entstand in den 1840er-Jahren und war ursprünglich für zwei Kontrabässe geschrieben. Luigi Negri, der es in der Zeit der großen Virtuosen nicht geschafft hat, aus Bottesinis Schatten hervorzutreten, war dessen Partner bei der Uraufführung. Seinen durchschlagenden Erfolg verdankt das Werk dem Geiger Camillo Sivori. Der Schüler von Nicolò Paganini schrieb einen Part für Violone um und führte es gemeinsam mit Bottesini in London erstmals auf. Das einsätzige Werk, das nicht mehr viel mehr als 15 Minuten dauert, wurde zum Hit.
Wie die meisten seiner Stücke weist auch das Gran duo concertante ein hohes Maß an Kantabilität, was auf Bottesinis hohe Affinität zur Oper zurückzuführen ist. Er hat nicht nur selbst mehr als zwölf Opern verfasst, sondern aus jenen von Donizetti, Bellini und Rossini Werke für Kontrabass generiert. Dass er ein Mann der Bühne war, ist auch seinem Gran duo anzumerken. Konzipiert ist es wie eine Miniaturoper, deren Protagonisten die Violone und der Kontrabass sind. Das Orchester gibt das Hauptthema vor, die Solisten stimmen ein, bis die Violine mit ihrem Solo, atemberaubenden Läufen und Kadenzen in den Vordergrund tritt, der Kontrabass hält sich noch zurück, wie ein Partner in einem Gespräch, um später mit einer sanften, weichen Melodieführung zu bestechen, die wie aus der Feder Donizettis anmutet. Dieses Werk führt deutlich vor, wie breit die Stimmlagen der Bassgeige sind, die sich vom tiefen Bass zum Bariton wandeln und tenorale Höhen erreichen kann. Nach einem vermeintlichen Finale im Tutti hebt der Kontrabass noch einmal mit einer ländlichen Weise an, in das die Geige versöhnlich einstimmt und zu einem heiteren Ende im Tutti gelangt.
Etwas ganz Neues, das es für Kontrabass bisher noch nicht so gegeben hat, will Racz seinem Publikum mit der Neubearbeitung des Gran tango von Astor Piazzolla bieten. Der Argentinier, der als Kind italienischer Einwanderer von Argentinien nach New York kam, verweigerte zunächst alles, was ihn in Kontakt mit Tango brachte. Vom Bandoneon, einer argentinischen Harmonika, die ihm sein Vater geschenkt hat, wollte er nichts wissen, denn Tango war für ihn die Musik der armen Leute und der Halbwelt. Daran änderte sich auch nichts, als er Carlos Gardel kennenlernte, den Grandseigneur dieser Musikrichtung und einen Freund seiner Eltern. Erst nach seiner Rückkehr nach Buenos Aires entdeckte er den Tango für sich, lernte Badoneon, auf dem er rasch zum Meister wurde, was er aber in klassischen musikalischen Kreisen zu verbergen trachtete. Sein Musikstudium in Paris verdiente er sich als Musikant, der Tango in Nachtklubs spielte. Erst seine Lehrerin Nadia Boulanger zeigte ihm, dass er mit dem Tango auf dem richtigen Weg sei. In seinem Gran tango, den er Anfang der 1982 für den Jahrhundertcellisten Mstislav Rostropovich komponierte, vereinte er klassische Elemente mit der Musik seiner Herkunft.
Als ihn eine Orchestertournee mit den Wiener Philharmonikern und Gustavo Dudamel im Frühjahr 2018 nach Argentinien führte, hatte Racz längst entschieden, dass er Piazzollas Stück aufnehmen würde. Die Bestätigung, dass sich die Mühen der Bearbeitung lohnen, fand er im Land dieser Musik. Die allabendlich auf den Straßen tanzenden Paare und die kantigen Melodien, die aus jedem Geschäft ertönten, faszinierten ihn. »Das war für mich wie ungarischer Csárdás«, sagt Racz. Die Bearbeitung machte das dennoch nicht einfacher. Den Klavierpart schrieb Konstantin Maslyuk für Kammermusik um. Aus dem Cello-Part machte Racz seine Kontrabass-Stimme. »Da war auch Mathematik gefordert. Denn das Cello ist in Quinten gestimmt, der Kontrabass in Quarten, das musste im Notenmaterial umgerechnet werden«, erklärt Racz. Die technischen Finessen, die Piazzolla für Rostropovich geschrieben hat, galt es zu erhalten und auf die Bassgeige, die ganz andere Griffe erfordert, umzulegen. Die Anstrengung war es ihm Wert, wenn man damit die »zahlreichen Facetten seines Instruments erkennt, das im Wiener Stil ebenso erklingen kann, wie im hispanischen«.
Mit einem Klassiker der Bassgeigen-Literatur aus dem 20. Jahrhundert, dem Divertimento für Kontrabass und Orchester von Nino Rota, komplettiert Racz diese Reise durch die vielfältige Klanglandschaft seines Instruments. Nino Rota ist auch einem wenig klassikaffinen Publikum bekannt. Er komponierte die Musik für Filmklassiker wie Federico Fellinis La strada und Francis Ford Coppolas Der Pate II, was ihm 1975 den Oscar einbrachte. Der klassischen Musik blieb Rota Zeit seines Lebens verbunden, er komponierte Opern und wurde Direktor am Konservatorium in Bari. Für den Kontrabass-Professor seines Instituts, den italienischen Meister auf diese Instrument, Franco Petracchi, schrieb Rota das Werk in den Jahren 1967 bis 1971. Zunächst verfasste er für seinen Kollegen eine »Marcia« mit Motiven, die höchste Virtuosität verlangen. Petracchi aber wollte mehr. So entstanden die vier Sätze »Allegro«, »Marcia«, »Aria« und »Finale« des Divertimento, das an den Solisten höchste Ansprüche stellt. Rota hat das Stück an die besondere Virtuosität seines Widmungsträgers angepasst. Denn Petracchi spielt auf einem Bass von Gaetano Rossi, der durch seine Übergröße eher selten von Solisten verwendet wird. Rota schrieb diverse Doppelgriffe vor, die Petracchis Nachfolger vor größte Herausforderungen stellen. Ödön Racz hat es bereits 2003 beim renommierten ARD-Musikwettbewerb 2003 vorgetragen. »Seither konnte ich dieses Stück nicht mehr vergessen«, sagt er. Leicht zugängliche Musik hat Rota geschrieben, die aber die Interpreten vor größte Herausforderungen stellt. Der erste Satz beginnt mit einem Forte-Einsatz im Orchester und lässt minutenlang diverse Instrumentengruppen ertönen, die eingängige Melodien spielen, bis nach einem Tutti, endlich der Kontrabass anheben darf. Fast spröde, akademisch sind für das Solo-Instrument die Noten gesetzt, das enorme Sprünge bewältigen, das heißt von der Basslage eine tenorale Höhe erreichen muss. Bei den Proben mit Scappucci hat Racz im zweiten Satz durch das Oboen-Motiv eine Nähe zu Sergej Prokofjews Peter und der Wolf entdeckt, erklärt er. In der »Aria« setzt der Komponist auf die Kantabilität des Soloinstruments. Das Finale kulminiert in einer fulminanten Konfrontation von Kontrabass und Tutti, bei dem die Pauke das letzte Wort hat. Bei einem Werk wie Nino Rotas Divertimento sei es besonders wichtig, den richtigen Stil für jeden Satz, jede einzelne Passage zu finden und die sind so vielfältig wie der Kontrabass selbst. (Susanne Zobl)
"Unterhaltung im Hollywood Stil: Auch das Finale ist beste Unterhaltung im Hollywood Stil. Im „Allegro Marcato“ tauschen Solist und Orchester die Rollen. Der Solist begleitet zunächst nur und erst nach einem Tutti übernimmt der Kontrabass die Führung – Das ist harte Arbeit für Ödon Racz. Immer wieder gibt es enorme Sprünge übers gesamte Griffbrett des Kontrabass. Voller Körpereinsatz wird verlangt, wenn er gerade bei den hohen Tönen immer wieder auf die Fußspitzen muss, um sich mit voller Länge über den ganzen Instrumentenkörper zu beugen.
Mit dem Album und der sorgfältig ausgewählten Stückauswahl, erfüllt sich Ödön Rácz einige persönliche Herzenswünsche. Er schafft es mühelos den Kontrabass aus einer Nische endlich einmal in die erste Reihe zu heben. Und er zeigt, was bislang nur eingefleischte Fans wussten: Dieses Instrument ist im wahrsten Sinne des Wortes GROSS…artig." (SWR2 Treffpunkt Klassik)
Ödön Rácz, Kontrabass
Noah Bendix-Balgley, Violine
János Balázs, Klavier
Franz Liszt Chamber Orchestra
Speranza Scappucci, Leitung
Ödön Rácz
wurde am 6. September 1981 in Budapest geboren und lernte bereits im Alter von neun Jahren Kontrabass.
Er setzte sein Studium am Musikkonservatorium St. Stephan bei Gergely Járdanyi, einem Schüler Ludwig Streichers, fort.
2001 wechselte er an die Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien, wo er in die Klasse von Alois Posch aufgenommen wurde.
Nach einem erfolgreich abgelegten Probespiel trat Ödön Rácz am 1. September 2004 seinen Dienst als Mitglied der Kontrabassgruppe des Orchesters der Wiener Staatsoper an. Seit 2009 ist er Solo-Kontrabassist der Wiener Philharmoniker und des Orchesters der Wiener Staatsoper.
Daneben trat Ödön Rácz als Solist mit den Wiener Philharmonikern, dem Münchener Kammerorchester, dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks sowie mit dem Franz Liszt Kammerorchester, der Haydn Philharmonie und den Stuttgarter Philharmonikern auf. Solistisch und mit verschiedenen Kammermusik-Formationen tritt in Europa, Brasilien, China, Korea und Japan auf.
Bereits in früher Jugend war Ödön Rácz Gewinner bzw. Preisträger mehrerer Wettbewerbe, etwa des Ungarischen Fernsehens (1996), im Rahmen des „10th Eurovision Young Musicians“ (Bergen/Norwegen 2000) oder beim Internationalen Johann-Prunner-Wettbewerb (Bukarest 2002). Schließlich errang er beim renommierten ARD-Wettbewerb den dritten Preis (München 2003). Zudem gewann er 2000 den „Fünf Olympische Ringe“-Preis des Landeskünstlerischen Institutes Budapest.
Nachdem schon im Jahre 1997 im Lamati-Verlag seine erste Platte mit Werken von Giovanni Bottesini, Johann Matthias Sperger und Hans Fryba erschienen war, spielte er 2003 für Hungaroton das Doppelkonzert von Bottesini ein.
2013 erschien bei Gramola die CD „Double Bass Fantasy“ mit Werken von Vask, Gottfried von Einem, Vecsey und Paganini.
2016 veröffentlichte er seine dritte CD bei der Deutschen Grammophon mit Konzerten für Kontrabass von Dittersdorf, Vanhal und Bottesini zusammen mit dem Franz Liszt Kammerorchester.
Ödön Rácz gibt regelmäßig Meisterkurse in Italien, Ungarn, Deutschland, Japan, Taiwan und Shanghai.
Rácz spielt einen Kontrabass von Michael Ignatius Stadlmann (Wien, 1781).
This album contains no booklet.